Arzneimittelversorgung in Indien

Indien könnte man als „Apotheke der Welt“ bezeichnen, weil es ein erstaunlich hohes pharmazeutisches Produktionsvolumen hat: ca. 90 % aller verkauften Medikamente werden im eigenen Land produziert.

Außerdem ist Indien der drittgrößte Exporteur von Medikamenten weltweit! Indien gilt aber auch als „Apotheke der Armen“, weil durch die niedrige Preisstruktur der Arzneimittel viele arme Länder diese Medikamente einführen können.

Mit einem Anteil von 20 % ist Indien der größte Produzent und Exporteur von Generika weltweit.

Die Preise dieser Nachahmermedikamente liegen nicht selten mehr als 95 % unter dem Preis des entsprechenden Originals.

Indien versorgt derzeit mehr als 150 Länder mit günstigen Arzneimitteln. Mehr als 400 Wirkstoffe und fast jedes erdenkliche Medikament werden im Land selbst produziert, von Kopfschmerztabletten über spezielle Antibiotika bis zu komplexen Herz- und Krebsmedikamenten.

Einige indische Generika-Hersteller sind auch auf dem deutschen Markt gut vertreten und haben Rabattverträge mit Krankenkassen geschlossen.

Eine Vielzahl auch von deutschen Pharmafirmen bezieht die Rohstoffe preisgünstig aus Indien.

Es gibt in Indien ca. 230.000 „offizielle“ Apotheken, die ca. 60.000 unterschiedliche Medikamente anbieten.

Gemessen an der Bevölkerung kommen ca. 5600 Einwohner auf eine Apotheke (in Deutschland ca. 3300 Einwohner).

Kaufen kann man dort fast alles ohne Rezept – wenn man es denn bezahlen kann: denn die Armut weiter Teile der indischen Bevölkerung reglementiert nach wie vor den Zugang zu Arzneimitteln.

In kaum einem anderen Land der Welt manifestiert sich in solcher Deutlichkeit der Unterschied zwischen Stadt- und Landleben, zwischen Armut und Reichtum.

In den großen Städten wie Bangalore findet man neben verbreiteter Armut und Slums auch die zahlungskräftige Elite des Landes mit ihren zahlreichen Millionären.

Entsprechend groß ist hier die Apotheken-dichte. In den Einkaufszentren nach westlichen Standards befinden sich hochmoderne Filialen der größten Apothekenketten Indiens (MedPlus, Noble Plus Pharmacy & Skincare, 98.4 Pharmacy, Dhanwantary Medicare…).

Dazu kommen viele Einzelapotheken mit einem Verkaufsspektrum zwischen Ayurvedamedizin, Drogerien und Generika.

Die Apothekendichte auf dem Land ist deutlich geringer, die Ausstattung meist mangelhaft.

Statt klimatisierter Ladenlokale findet man hier meist nur einfache Bretterverschläge mit höchst individuellen Sortimenten.

Trotz der günstigen Preise für Medikamente sind diese für den größten Teil der Bevölkerung unbezahlbar.

Da auch die ärztliche Versorgung privat bezahlt werden muss, treibt das viele Inder in die Schuldenfalle.

Es gibt zwar ein staatliches Recht auf medizinische Versorgung, aber bedingt durch das Kastensystem werden bestimmte Bevölkerungsgruppen in Wirklichkeit nicht ausreichend versorgt.

Die arme Landbevölkerung greift noch häufig zu traditioneller Ayurvedamedizin, die aufgrund der niedrigen Preise als einzige Behandlungsmethode übrig bleibt.

Es ist eine traurige Ironie des Schicksals, dass die Apotheke der Welt sich selbst nur unzureichend mit Medikamenten versorgen kann.